Count…down

Zwanzig!
Das würde meine Zahl sein, hatte er gesagt.
Zwanzig Schläge mit dem Rohrstock. Meine Strafe.
Warum?
Weil er sagt, ich hätte mich nicht angemessen verhalten.
Gut, wenn er es sagt, dann ist es so. Er weiß, dass ich anders darüber denke, aber das spielt nun keine Rolle mehr.

Ich gehe durch den Raum und hebe meinen Rock über meine Hüfte. Dann beuge ich mich über den Tisch.
Es muss ein herrliches Bild für ihn sein.
Ich bin ernst. Anders als sonst trage ich kein verschmitztes Grinsen auf dem Gesicht, ich freue mich nicht.

Ich werde nicht weinen, schwöre ich mir. Er soll sehen, dass ich anderer Meinung bin. Er soll meinen Widerstand ruhig spüren. Das konnte nicht allzu
schwer sein. Zwanzig. Was war das schon?

Trotz

Der erste Schlag trifft mich.
Autsch. Der sitzt. Kribbelt ganz schön.
“Eins.”, zähle ich pampig. Auf ein “Danke” verzichte ich, denn ich bin anderer Meinung als er.

Der zweite Schlag saust herab.
Fast will ich lachen, ihn herausfordern. Mehr hat er nicht drauf? Denke ich, gottseidank, nicht laut.
“Zwei.”

Der dritte Schlag.
Oh das brezelt schon ordentlich. Ich atme scharf ein und versuche, auszuweichen.
“Nicht weinen.”, denke ich.
Mit Verspätung kommt “Drei.”

Ich bemerke, dass ich zucke. Obwohl ich mich bemühe, standhaft zu bleiben.
So heroisch der Satz mit der anderen Backe auch klingt, es tut verdammt weh.
Der nächste Schlag trifft.
Ich jaule auf.
Rotzig schniefe ich. Nicht weinen.
Puste nach oben gegen meine Augen, damit er meine aufkeimenden Tränen nicht sieht.
“Vier.”, winsle ich.

Schmerz

Hart zieht er durch und ich heule laut auf. Meine Augen bekommen diesen Nebelschleier, durch den ich kaum etwas sehen kann. Sie brennen. Mein Hintern
auch.
Ich schniefe, bemerke, dass sich Weinen
an schleicht. Auf leisen Sohlen. Ich weiß, dass es gewinnen wird.
“Fünf.”

Ich jammere.
“Bitte nicht.”, höre ich mich rufen.
“Es tut mir leid.”, wimmere ich. Und ich zucke, wackle mit meinem Hintern, ein hilfloser Versuch, dem Stock auszuweichen. Es funktioniert nicht.
“Sechs.”, raune ich verweint.

Nur noch 14. Nur? Noch 14! oh Gott, noch 14 Schläge.
Ich schluchze.
“Sieben.”
Die Wucht trifft mich so hart, dass ich tänzle und damit den Tisch nach vorne schiebe.
Er packt beherzt zu und zieht mich samt Tisch wieder zurück.

“Noch 13.”, denke ich. Das ist wie Weihnachten, nur dass die Überraschungen weh tun.
“Acht.”, ich kreische leicht.

Panik.

Ich höre ihn atmen. Ich sehe kaum etwas, meine Augen brennen, mein Hintern brennt. Mein Gehirn gibt nur noch einen Impuls: weg hier.
Doch ich wage es nicht. Ich bleibe stehen.
Meine Hände zucken, wollen sich schützend vor meinen Hintern werfen. Doch ich halte sie im Griff, befehle ihnen, auf dem Tisch liegen zu bleiben.
“Reiß dich zusammen.”, denke ich.
“Neun.”, schreie ich lauter als mir lieb ist.

Und aus Neun wird “Nein”. “Nein, nicht. Bitte nicht. Bitte bitte nicht.”, kreische ich ungefiltert.
Er legt kurz seine Hand auf meinen Rücken, ein leichter Druck erinnert mich daran, unten zu bleiben.
“Nicht hochkommen, während des Schlages.”, denke ich.
“Zehn.”

Ich werfe den Kopf in den Nacken und kreische. Panik überkommt mich, meine Hände wandern nach hinten, ich halte sie vor meinen Hintern. Meine Beine zappeln,
ich will mich umdrehen, will, dass er aufhört.
Nochmal zehn. Das würde ich nicht überstehen.
Ich weine unkontrolliert, zwischendurch kreische ich.
“Elf.”

Ich ziehe meine Hände vor. Er hat durchgezogen und sie getroffen. Sie glühen, schmerzen. Schockiert
blicke ich durch den Tränenschleier darauf.
Er nutzt den Freiraum.
“Zwölf.”, keuche ich.

“Aufhören. Bitte aufhören. Bitte.”, ziehe ich die Worte durch die Stille.
Er spricht nicht und ich habe das Gefühl, er ist nicht mehr da. Nur noch ich und der Stock.
“Dreizehn.”

“Nur noch sieben. Nur. Noch. sieben.”, denke ich.
Wieder fange ich an zu zucken, tänzle unruhig hin und her. Ich höre mich betteln, durchgehend, pausenlos. Vor jedem Schlag.
Dann kommt der Schlag und ich gehe nahtlos in meinen Schrei über.
“Vierzehn.”

Ehe ich weiter bettle und tänzele.

Resignation

“Nur noch sechs. Nur.”, denke ich.
Ich heule unkontrolliert. Atme im Stakkato. Ein und aus.
“Fünfzehn.”

Ich schaffe es kaum, noch zu reden.
“Fünf. Das ist, als wäre es kurz vor Weihnachten.
Nicht mehr lange und dann ist dieser unsägliche Countdown auch vorbei.”
“Sechzehn.”, flüstere ich.

Wann würde es ein Ende nehmen? Wäre ich doch schon bei zwanzig.
“Siebzehn.”, denke ich. Ich bin unfähig, zu sprechen. Er lässt mich.
Mein Körper zittert und bebt, ich habe das Gefühl, nur noch ein einziger Muskelkrampf zu sein.

“Drei. Nur noch drei. Drei, zwei, eins … meins”, denke ich. Warum mir jetzt diese blöde Ebay-Werbung einfällt?
“Achtzehn.”, kreische ich erneut. Noch einmal würde er mich nicht schweigen lassen. Und noch mehr würde ich nicht ertragen.

Nur noch zwei.
“Ertrag es!”, befehle ich mir selbst.
“Neunzehn.”

Ich habe das Gefühl, kaum noch zu fühlen.
Das muss aufhören.
Das muss aufhören.
Das muss aufhören.

“Das muss aufhören.”, kreische ich schließlich.
“Zwanzig.”, schließe ich meinen Panikausbruch nahtlos ab.
Dann breche ich zusammen. Bevor ich vom Tisch gleite, ist er bei mir. Steht hinter mir, beugt sich über mich, wie ein schützender Körper, hält mich sicher in seinen Armen.

Erleichterung

Gemeinsam mit ihm lässt er mich kontrolliert zu Boden sinken. Er sitzt da, hält mich fest, lässt mich weinen. Lauscht meinem Gefühlsausbruch. Er streichelt mich, als er merkt, dass ich dafür empfänglich bin.
“Es tut mir leid.”, sage ich leise und meine es auch so.

Comments are closed.